Ein unheimlich tolles, gar nicht peinliches Buch
Sind eure Kinder schon in dem Alter, wo die Eltern einfach peinlich sind? Die 11-jährige Ruby steckt mitten in dieser Phase. Und so trifft "Unheimlich peinlich - Das Tagebuch der Ruby Black" von Cally Stronk und Constanze von Kitzing harpunengenau die Zielgruppe.

"Harpunen... was?". Entschuldigt das Wortspiel, das ist wahrscheinlich auch unheimlich peinlich, aber eine Harpune spielt nun mal eine gewisse Rolle in "Unheimlich peinlich". Natürlich eine gefährliche, aber was es damit genau auf sich hat, müsst ihr selber herausfinden. ;-)
Eine voll peinliche Familie
Aber zurück zu Ruby: Ruby heisst eigentlich Rubinia Rosalinde Black, ein total peinlicher Name. Und auch ihre Familie ist voll peinlich. Horatio Fritz Black ist ihr kleiner Bruder. Er ist v.a. sehr nervig und zu allem Übel auch noch ein You-Tube-Star, der Fake News verbreitet. Mutter Celeste Mathilde Black führt ein kleines Café. Ganz normal könnte man meinen, aber es handelt sich um das Friedhofscafé! Und Celeste singt auch noch gerne Musicals beim Backen. Voll peinlich. Das Café kommt nicht von Ungefähr, denn Rubys Vater Alois Black nennt sich Designer. Eigentlich designt er aber bloss die Särge. Und dann gibt es da auch noch den grossen Bruder Constantin Otto Black - samt Vogelspinnensammlung und Ratte namens Anthrax - und die halbwegs normale Oma Ottilie Black. Das grösste Problem ist noch nicht mal Rubys schräge Familie, sondern dass sie auch noch auf dem Friedhof leben.
In einer neuen Schule ganz von vorne anfangen
Und genau deswegen wurde Ruby in ihrer alten Schule gemobbt. Ihre Tagebucheinträge in "Unheimlich peinlich" beginnen mit ihrem ersten Tag an der neuen Schule, wo sie krampfhaft versucht, völlig normal zu wirken, ihr morbides Zuhause und ihre schräge Familie zu verheimlichen. Sie möchte ganz neu anfangen und endlich Anschluss finden bei ihren Mitschüler*innen. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man es mit den Zwillingen Lilli und Milli zu tun bekommt, die ständig als Reporterinnen für ihr Magazin Glossy unterwegs sind und Ruby unheimlich spannend finden. Und dann trifft Ruby auch noch auf einen total süssen Jungen, in den sie sich sofort etwas verliebt. Das steigert natürlich die Nervosität um ein Hundertfaches. Zum Glück gibt es da noch ihre neue Freundin Selma.
Mega cool für Jugendliche
Cally Stronk erzählt in "Unheimlich peinlich" aus Sicht von Ruby eine rasante Geschichte mitten aus dem Alltag der Zielgruppe. Ich kann nicht abschätzen, ob die Jugendlichen heute genau so sprechen wie Ruby und ihre Freunde im Buch, weil meine Kinder noch kleiner sind. Aber wie ich die Autorin kenne, hat sie da bestimmt voll gut recherchiert. Es kommt jedenfalls echt nice rüber! ;-)
Echt nice sind auch die Illustrationen von Constanze von Kitzing, die das Buch praktisch zu einem Comic-Roman machen. Auf jeder Seite gibt es Zeichnungen, Sprechblasen und grafisch speziell gestaltete Wörter und Passagen. Die Illustrationen sind sowohl Teil des Textes als auch Ergänzung, indem sie nochmals eigene Geschichten erzählen, kleine Witze oder Anspielungen platzieren. So lockern sie den eh schon lockeren Text nochmals zusätzlich auf.
Witzig und tiefgründig
Cally Stronk spricht in "Unheimlich peinlich" durchaus wichtige Themen an: Im Zentrum geht es um Mobbing und wie ein Mädchen gleichzeitig sich selber und seinen Platz in einer Gruppe - in diesem Fall der Schulklasse - sucht. Es geht um Selbstwertgefühl, ums Angenommensein, ums Erwachsenwerden und um eine erste Liebe. Und in all das ist auch noch ganz schön viel Handlung eingeflochten und nebenbei spielen Handys, Social Media und Fake news eine Rolle. Also alles Dinge, die Jugendliche heute tatsächlich vor so einige Herausforderungen stellen. Über die dunkelhäutige Selma bringt Constanze von Kitzing auch noch etwas Vielfalt in die Geschichte. Dies ganz selbstverständlich, denn im Text ist das kein Thema, wird also auch nicht problematisiert.
Mehr Schein als Sein?
Das Aussehen und die Wirkung gegen aussen spielen im Buch eine grosse Rolle. Das hat mich etwas gestört, aber eigentlich macht es Sinn, denn erstens ist es Realität, dass man sich gerade in dem Alter stark damit beschäftigt, und zweitens wird so erst deutlich, dass es eben um viel mehr gehen sollte als darum, wo jemand wohnt, was seine*ihre Eltern beruflich tun oder ob er ein fleckenfreies Kleid trägt. Dass Ruby das unbewusst längst erkannt hat, wird in ihren Gesprächen mit dem Schulpsychologen schnell klar, nur muss sie es selbst noch merken.
Fazit
"Unheimlich peinlich" ist ein Pageturner für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren. Es ist witzig, erfrischend geschrieben und spannend. Cally Stronks Buch eignet sich durch die Comic-Illustrationen von Constanze von Kitzing auch perfekt für Lesemuffel. Darüber hinaus behandelt es wichtige Themen wie Mobbing, den Umgang mit Social Media, Fake News etc. und Ruby bietet grosses Identifikationspotenzial (v.a. für gleichaltrige Mädchen). Und sogar Erwachsene wie ich finden in dem Buch noch witzige Anspielungen. Ich sage nur: Milli Vanilli.
Die Fakten
Cally Stronk (Text)
Constanze von Kitzing (Illustration)
dtv Junior
224 Seiten
Erschienen am 13.06.2020
Flexcover
ISBN: 978-3-423-76274-8
Ab 10 Jahren
PS: Herzlichen Dank an Cally und Constanze sowie den dtv Verlag für das voll coole Rezensionsexemplar, die mega leckeren Fledermäuse und die nice Karte dazu.
Mehr von Constanze von Kitzing und Cally Stronk
Von Constanze von Kitzing findet ihr schon einiges auf dem Blog, sogar ein Interview. Schaut mal in diese beiden Artikel:
Ich bin anders als du - Ich bin wie du (mit Interview)
Für mehr Vielfalt in Kinderbüchern - Gastartikel von Carla Heher
Wenn ihr Cally Stronk auch mal hören wollt, dann abonniert den LeseEulen Podcast, in dem sie mit Christian Friedrich übers Kinderbüchermachen spricht.
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