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Fremde Freunde - der perfekte Ferienroman?

Was kann man zwischen den Sommer- und den Herbstferien lesen? Klar, "Fremde Freunde" von Max Küng, ein Roman über Ferien mit Freunden. Kleine Vorwarnung: Die Lust auf Ferien könnte einem dabei vergehen.


Fremde Freunde - Max Küng (Kein & Aber 2021)

Max Küng ist vor allem bekannt als Kolumnist von "Das Magazin" (ältere Semester wie ich, nennen es immer noch liebevoll Tagi-Magi). Der Schweizer Autor hat aber auch schon einiges in Buchform veröffentlicht. Neben seinen Kolumnensammlungen auch zwei Romane, die ich beide gerne gelesen habe. Seine Art, sein Humor, seine Spleens, seine Fetische für Dinge, für die andere - zum Beispiel ich - keine Rezeptoren haben, von denen man aber trotzdem unheimlich gerne liest, drücken in all seinen Texten durch. Und so war für mich klar, dass ich auch seinen neusten Roman "Fremde Freunde" lesen möchte. Die Seitenzahl liess mich zwar Böses erahnen - denn auch kleinere und grössere Ausschweifungen kann Max Küng gut. Aber sein Interview mit "Lesen" stimmte mich dann wieder positiv. Der Roman war gemäss seiner Auskunft mal 800 Seiten lang, nun sind es noch gut 400. Ob die Kürzungen gereicht haben, verrate ich euch am Schluss! ;-)


Ferien mit mehreren Unbekannten

Welche Assoziationen habt ihr beim Stichwort "Ferien in Frankreich"? Mir kommen da jenseits von Paris wahlweise grosse Wellen an der atlantischen Küste, Palmen und bescheidene (Ironie) Segelyachten in Südfrankreich, Leuchttürme in der Bretagne, wogende Lavendelfelder in der Provence oder schmucke Rebgüter im Elsass in den Sinn. In "Fremde Freunde" geht es allerdings in ein Kaff in der weniger renommierten Gegend Franche-Comté im Nordosten Frankreichs.


Jean und Jacqueline, ein Ehepaar aus Zürich (ursprünglich Basel), laden zwei andere Ehepaare zum gemeinsamen Urlaub im 500-Seelen-Dorf Saint-Jacques-aux-Bois ein. Sie besitzen dort seit ein paar Jahren ein Ferienhaus. Die drei Familien kennen sich bisher nur flüchtig, weil ihre drei Söhne miteinander befreundet sind. Dass sie nun gemeinsame Ferien verbringen, hat einen guten Grund, den allerdings nur die Gastgeber kennen.


Max Küng stellt uns das Personal nach und nach vor und geht dabei ziemlich schonungslos mit seinen Protagonist*innen um: Jean, ein Werber, der eigentlich Hans heisst, ist schon bei der Ankunft maximal gestresst. So ein Ferienhaus macht viel Arbeit, das Packen und die Reise sind anstrengend und beim Auspacken bricht auch noch der Schlüssel der Dachbox ab. Seine Frau Jacqueline kommt mehr oder weniger rüber, als wäre sie nicht viel mehr als seine nicht besonders helle, immer auf ein adrettes Erscheinungsbild - das Foulard von Hermès darf nicht fehlen - bedachte Mitarbeiterin. Sie selbst hält sich allerdings für ziemlich schlau. Auch die überorganisierte Salome aus gutbetuchter Familie und ihr flatterhafter Schauspielermann Filipp kommen nicht besonders gut weg. Dasselbe gilt für Zahnarzt Bernhard, der sich für tolerant hält, aber null Verständnis für Minderheiten zeigt - Othering kann er. Und seine Frau Veronika ist erfolgreiche Grafikerin, aber emotional mehr als unterkühlt.


"Das Einzige, was sie heute noch empfand, wenn sie an Bernhard dachte, sie die nasskalte Tropfsteinhöhle ihres Herzens ausleuchtete, war Müdigkeit." (S. 160)

In diesem Setting verfolgen wir die Dynamiken zwischen der unterschiedlichen Protagonist*innen. Max Küng erzählt zwar immer in der 3. Person, nimmt aber immer wieder andere Perspektiven ein. So lernen wir die einzelnen Personen aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennen. Das Erstaunliche ist, dass mir niemand von den sechs Erwachsenen - die Jungs sind eh nur dauerzockende Teenager-Phantome - sympathisch war, ich das Buch aber trotzdem gerne gelesen habe. Der Mikrokosmos der Gefühle, Erwartungen, unterschiedlichen Ansprüche an einen Urlaub, an sich selbst und an die anderen, Jean und Jacquelines geheimer Plan und nicht zuletzt immer mehr merkwürdige Vorkommnisse halten die Spannung aufrecht. Man wünscht sich nie, an diesem Urlaub teilzuhaben, aber wegschauen, wie die Feriengesellschaft das Ding gegen die Wand fährt, möchte man auch nicht.


Überzeugt haben mich die Sprache, Max Küngs Humor, die ambivalente Entwicklung der Charaktere (auch wenn sie oft etwas schablonenhaft und voller Klischees bleiben) und die immer in Lauerstellung wartende Katastrophe, die die zwanghaft heraufbeschworene Urlaubsstimmung zunichte machen würde. Kritik habe ich tatsächlich immer noch an der Länge, ein paar Schlenker und lose Enden hätte sich der Autor noch sparen können. Und wirklich zusammenzucken liess mich die völlig unnötige Verwendung des I-Worts.


Fazit

Wenn drei Familien mit drei halbwüchsigen Söhnen zusammen in die Ferien gehen, kann das heiter werden. Oder total in die Hose gehen. Wenn dann wie in "Fremde Freunde" von Max Küng noch überhöhte Ansprüche, ein geheimer Plan der Ferienhausbesitzer, unfreundliche Dorfbewohner und Eheprobleme mit ins Spiel kommen, verspricht das ganz viel Unterhaltung. Nur die Lust auf Ferien mit Freunden könnte einem dabei abhanden kommen. ;-) Mein Tipp? Geht das Risiko ein!



Die Fakten

Max Küng

Kein & Aber

432 Seiten

Erschienen am 11.05.2021

Hardcover

ISBN: 978-3-0369-5838-5




PS: Herzlichen Dank an den Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar.



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