Von weit her - Bilderbuch über das Ankommen in einem neuen Land
"Von weit her" erzählt die Geschichte von Saoussan Askar, die mit ihren Eltern das Heimatland Libanon verlassen musste. Kinderbuchautor Robert Munsch hat zusammen mit dem geflohenen Mädchen ein bewegendes Bilderbuch über das Ankommen in einem neuen Land geschrieben. Illustratorin Rebecca Green hat wunderschöne, vielfältige Illustrationen beigesteuert.
Saoussan lernen wir im Bilderbuch "Von weit her" kennen, als sie gerade die zweite Klasse besucht. Sie nimmt uns mit zurück in ihre Heimat, die sie aufgrund des Krieges verlassen musste. Damals ging zuerst ihr Vater in ein neues Land (Kanada) und holte Frau und Tochter später nach. Über die genaueren Umstände erfahren wir nichts. Im Zentrum stehen Saoussans Perspektive, ihre Gefühle - zum Beispiel als sie im Flugzeug sass, ihr ganz schlecht wurde und sie den Eindruck hatte, niemand wolle in ihrer Nähe sitzen.
Der Krieg wirkt nach
Mit Saoussan im neuen Land, mit der fremden Sprache, der neuen Schule und (noch) ohne Freund*innen spüren wir, wie schwierig es sein muss, sich zurecht zu finden, Anschluss zu finden. Neben der grossen Sprachbarriere hat Saoussan auch mit der Traumatisierung durch den Krieg zu kämpfen. Die Begegnung mit einem Papierskelett im Schulhausflur löst in Saoussan Panik aus. Und weil ihre Lehrerin sie nicht versteht, macht sie zu Beginn alles noch schlimmer, indem sie mit dem Skelett herumtanzt.
Doch dann begreift die Lehrerin plötzlich, was in Saoussan vorgeht, und nimmt sie in den Arm. Die Sprache einer Umarmung ist zum Glück universell. Nicht unmittelbar, aber nach und nach lassen Saoussans Albträume nach, sie lernt die Sprache (im Buch Deutsch, in echt Englisch), findet Freund*innen und hat Spass an der Schule.
Eine junge Co-Autorin
"Von weit her" erschien im englischen Original erstmals 1995, als Saoussan die fünfte Klasse in Kanada besuchte. Auf der Website des kanadischen Kinderbuchautors Robert Munsch erfahren wir, dass am Anfang dieses Bilderbuchs ein Brief von Saoussan stand, in dem sie den Autor bat, für eine Lesung in ihre Schule zu kommen. Dass er eines Tages ihre Geschichte vorlesen würde, hätte sie sich wohl nie träumen lassen.
Das Bilderbuch spricht junge Leser*innen oder Zuhörer*innen sofort an, weil Saoussan in der Ich-Form zu ihnen spricht. Das gesamte Buch ist aus ihrer kindlichen Perspektive geschildert. Und so ist das Buch auch nicht einfach "schwer", sondern hat auch einen gewissen Witz und macht Mut, weil sowohl die Mitschüler*innen als auch die Lehrerin offen auf Saoussan zugehen.
Vielfältige Illustrationen
Die ersten Ausgaben erschienen mit Illustrationen von Michael Martchenko. Seit 2017 begleiten nun die Illustrationen von Rebecca Green die Geschichte. Die amerikanische Illustratorin kennt ihr vielleicht von ihrem Bilderbuch "Wie man sich mit einem Gespenst anfreundet" (Diogenes 2019). Auf meinem Rezensionsstapel wartet ein weiteres Bilderbuch von ihr. Aber zurück zu "Von weit her": Rebecca Green hat das Bilderbuch in gedeckten Farben mit einigen roten Akzenten (oft ist es Saoussans Kleid) illustriert. Die neue Klasse von Saoussan hat Schüler*innen unterschiedlicher Hautfarbe. Ein Mädchen kann südostasiatisch gelesen werden, ein Junge ist Schwarz, ein anderes Mädchen könnte einen lateinamerikanischen Hintergrund haben und ein Junge sitzt im Rollstuhl. Diese diverse Darstellung gefällt mir hier besonders gut, weil so das geflüchtete Kind nicht als "Exot*in" in einer homogenen Gruppe dargestellt wird.
Einfach angenommen
Ebenfalls gut gefällt mir, dass Saoussan neben dem Erlernen der Sprache keine besondere Integrationsleistung erbringen muss. Sie muss nicht etwas besonders gut machen oder sich beweisen, um akzeptiert zu werden, sondern wird angenommen, wie sie ist. Als sie ihren Namen von Saoussan zu Susan ändern möchte, verhindert ihre Mutter diese Überassimilation. Auch darin steckt für mich eine wichtige Botschaft, das Saoussan genau so gut ist, wie sie ist.
Fazit
"Von weit her" erzählt eine wahre Geschichte vom Ankommen eines Mädchens in einem neuen Land. Die Erzählung aus Kinderperspektive von Saoussan Askar und Robert Munsch, kombiniert mit den ausdrucksstarken Illustrationen von Rebecca Green, bringt Kindern die Situation und Gefühle von geflüchteten Kindern näher und macht beiden Seiten Mut, dass gegenseitiges Verständnis möglich ist.
Die Fakten
Robert Munsch, Saoussan Askar (Text)
Rebecca Green (Illustration)
Penelope Dützmann (Übersetzung aus dem Englischen)
Orlanda
32 Seiten
Erschienen am 01.03.2022
Hardcover
ISBN: 978-3-949545-04-7
Ab 5 Jahren
PS: Herzlichen Dank an den Orlanda Verlag für das Rezensionsexemplar.
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