Heul doch! Vom Heulen, Plärren, Weinen und Flennen
Seid ihr nah am Wasser gebaut? Heult ihr schon mal Krokodilstränen oder wie ein Schlosshund? Dann ist "Heul doch! " von Frauke Angel und Stephanie Brittnacher ein Sachbilderbuch, das ihr unbedingt lesen bzw. vorlesen müsst.
Frauke Angel und Stephanie Brittnacher haben schon mit "Oma Kuckuck" gezeigt, dass sie ein tolles Duo sind. Dieses Mal geht es nicht um Demenz, aber es wird genauso gefühlvoll in "Heul doch! Vom Heulen, Plärren, Weinen und Flennen".
Diese Familie ist nah am Wasser gebaut - und ganz schön vielfältig!
Wir platzen mitten in ein Familienfest einer richtig vielfältigen Familie: Da gibt es ein schwules und ein lesbisches Paar, einen Ich-Erzähler im Rollstuhl, Menschen of Color, Patchwork- und Regenbogenfamilien, Jung und Alt. Der erwähnte Ich-Erzähler weint gerade, weil er wütend ist, dass er fürs Familienfoto stillsitzen soll. Klingt banal, kann bei Mitgliedern der jüngeren Generation aber erfahrungsgemäss schon mal zu einem Meltdown führen. Wie dem auch sei, ist diese Situation der Aufhänger für das Thema - ihr wisst es schon: das Heulen - des Buches und Grund für Oma Utes lakonischen Einwurf: "Einer heult doch immer!".
Dieser erzählerische Teil des Bilderbuchs führt uns durch unterschiedliche Gründe fürs Weinen. Autorin Frauke Angel illustriert sie gekonnt an Episoden aus dem Leben der unterschiedlichen Familienmitglieder. Da gibt es die bereits geschilderte Wut des Ich-Erzählers, den Weltschmerz des Opas, den physischen Schmerz der vom Ball getroffenen Mutter, die Traurigkeit wegen akuten Vermissens vom Papa oder das zu Tränen rührende Glück der Freundin und das Heulen mangels verbaler Fähigkeiten der Babys.
Sachwissen rund ums Weinen
Parallel erfahren wir durch kleine Sachtexte auf jeder Seite auch Wissenswertes rund ums Weinen. Etwa, dass wir im Laufe des Lebens rund 100 Liter Tränen vergiessen, also zu dritt gerade eine Badewanne füllen könnten. Wir erfahren, dass es unterschiedliche Tränen gibt - basale, reflektorische und emotionale. Dass auch Tiere weinen können, aber nicht aufgrund von Gefühlen. Dass das Weinen kulturell erlernt wird und Frauen aus noch ungeklärten Gründen häufiger weinen als Männer. Ich setze ja auch da auf die Sozialisierung (in unserem patriarchalen System). Da die Geschlechterunterschiede recht spät auftauchen (erst in der Pubertät), könnte es aber auch hormonelle Gründe geben... Egal, das ist jetzt meine Spekulation.
Jedenfalls erfahren wir noch einiges mehr rund ums Heulen, Plärren und Flennen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass in kälteren Ländern mehr geweint wird? Oder dass in ärmeren Ländern weniger geweint wird als in reichen? Auch Redewendungen wie die Krokodilstränen oder der eingangs zitierte heulende Schlosshund werden erklärt.
Die Illustrationen von Stephanie Brittnacher sind in Blau und Rot gehalten, die Tränen in Weiss. Die Bilder bilden die Vielfalt der porträtierten Familie schön ab und sind ziemlich expressiv. Das ist zwar nicht ganz mein Geschmack, besonders die teils etwas holzschnittartige Darstellung der Gesichter, aber passt zum Thema Gefühle. Gut gefallen mir hingegen die Strukturen in der Umgebung, sei es nun das Wasser, eine Mauer oder der Vorhang im Theater.
Der Verlag empfiehlt das Buch ab 4 Jahren. Ich würde aufgrund der Sachinformationen eher bei 5 Jahren ansetzen. Es passt aber auch im Grundschulalter noch gut, zum Beispiel zum Einstieg ins Thema Gefühle. Eine kleine Kritik muss ich auch noch an den Verlag bzw. das Lektorat richten: Es gibt mehrere Tippfehler im Buch. Das klingt vielleicht etwas kleinlich. Aber bei einem knapp 30-seitigen Kinderbuch erwarte ich schon, dass es fehlerfrei ist. Ich hoffe, das wurde in der zweiten Auflage behoben.
Fazit
Frauke Angel und Stephanie Brittnacher liefern in "Heul doch! Vom Heulen, Plärren, Weinen und Flennen" ein schönes Sammelsurium an Anekdoten und Fakten rund ums Tränenvergiessen. So wird jungen Zuhörer*innen oder Leser*innen schnell deutlich, dass Weinen dazugehört - egal, welches Gefühl nun dahintersteckt. Die selbstverständlich abgebildete Vielfalt bietet zudem Identifikationspotenzial für eine ebenso diverse Leser*innenschaft. Also haltet eure Taschentücher bereit und besorgt euch dieses Buch!
Die Fakten
Frauke Angel (Text)
Stephanie Brittnacher (Illustration)
Tyrolia Verlag
26 Seiten
Erschienen am 01.02.2021
Hardcover
ISBN: 978-3-7022-3914-5
Ab 5 Jahren
PS: Herzlichen Dank an Frauke Angel und den Tyrolia Verlag für das Rezensionsexemplar.
Mehr von Frauke Angel bei mint & malve
Oma Kuckuck - Frauke Angel, Stephanie Brittnacher (Edition Pastorplatz 2020)
Ein eiskalter Fisch - Frauke Angel, Elisabeth Kihßl (Tyrolia Verlag 2020)
Disco! - Frauke Angel, Julia Dürr (Jungbrunnen 2019)
* Links mit * sind Affiliate-Links / Werbelinks. Wenn du das Buch über diesen Link kaufst, bekomme ich vom jeweiligen Shop eine kleine Provision. Am Buchpreis ändert sich für dich nichts. Du hilfst mir aber so, den Blog ein kleines Bisschen zu refinanzieren. Vielen Dank!
Comments