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Was wäre, wenn wir mutig sind?

  • Autorenbild: Eliane Fischer
    Eliane Fischer
  • 2. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

(Werbung) Luisa Neubauer fragt in ihrem politischen Essay, "Was wäre, wenn wir mutig sind?". Damit gibt sie uns nicht etwa die oft bemühte Hoffnung, dass die Klimakrise noch abzuwenden oder zumindest abzumildern ist. Sie tut etwas viel Wichtigeres: Sie schenkt uns die Einsicht, dass wir fürs Klima aktiv werden müssen, kombiniert mit der Zuversicht, dass wir das auch können.



Was wäre, wenn wir mutig sind? - Luisa Neubauer (Rowohlt 2025)

1972 erschien "Grenzen des Wachstums, 1995 eröffnete Bundeskanzler Kohl die Weltklimakonferenz, 2018 gingen weltweit tausende junge (und weniger junge) Menschen mit #FridaysForFuture fürs Klima auf die Strasse. Und heute? Nichts scheint vorwärts zu gehen, Trump hat das Pariser Klimaabkommen (einmal mehr) gekündigt, wir haben sieben von neun planetaren Grenzen überschritten.


Klimaaktivistin Luisa Neubauer geht in ihrem Essay "Was wäre, wenn wir mutig sind?" der Frage nach, wie wir an dieser Stelle gelandet sind, weshalb alles Wissen, alle Aufklärung und alle vorhandenen Lösungen für die Probleme, die den Klimawandel befeuern, bisher nichts geholfen haben. Ja, weshalb wir uns sogar rückwärts zu bewegen scheinen in Sachen Klimapolitik.

"Wenn man uns später fragt, wo wir waren, als man die Katastrophe noch hätte aufhalten können, dann werden wir sagen müssen: Live dabei, gelangweilt in den Kommentarspalten." / S. 14

Sie wirft den Blick zurück bis in die Aufklärung, die den Glauben durch Wissen abgelöst hat. Das müsste ja eigentlich die beste Voraussetzung sein, um auf dieses Wissen zu hören. Erst recht heute, wo wir dank wissenschaftlichem Fortschritt nicht über einen Mangel an Daten und Fakten klagen können. Doch immer wieder zeigt sich, wie unterschiedlich die Klimafrage angegangen wird. Auf der einen Seite stehen Klimaaktivist*innen (und besorgte Bürger*innen und Politiker*innen), die sich auf die genannten Fakten berufen. Auf der anderen Seite stehen fossile Unternehmen und ihre Profiteure aus Politik und Zivilgesellschaft, die sich auf etwas viel Mächtigeres berufen: auf einen gewissen Lebensstil, Gefühle und Sehnsüchte. Paradebeispiel hierfür ist die Erzählung vom amerikanischen Traum (siehe dazu auch den ergänzenden Hörbuchtipp weiter unten).


Mit der Ansiedlung des Themas auf der Gefühlsebene haben Klimaleugner*innen und Gegner*innen effektiver klimapolitischer Massnahmen einen grossen Vorteil. Dieselben Mechanismen spielten sich über Jahre im Bereich der Tabakpolitik ab (der Marlboro Man lässt grüssen). Doch auch da wurden alte Narrative gebrochen und effektive Präventionspolitiken umgesetzt (je nach Land mehr oder weniger konsequent und erfolgreich).


Und damit kommt Luisa Neubauer auch darauf zu sprechen, wie "Hoffnung" auf eine bessere Zukunft zwar entscheidend ist, aber es darf eben nicht eine "bequeme Hoffnung" sein:


"Bequeme Hoffnung ist schon längst ein kapitalistisches Projekt geworden. Dessen prominenteste Form ist die Erzählung, dass magische Technologien – in der Regel zur Verfügung gestellt von charismatischen Männern aus den USA – in Kombination mit nicht zu beziffernden Geldbeträgen und flankiert von Berechnungen aus dem Zauberwald die Welt für uns retten werden." / S. 22

Doch die Aufklärung hat nicht nur das Primat der Rationalität und des Wissens etabliert, sondern auch Probleme wie den Kolonialismus mit sich gebracht. Und auch die Demokratisierungs- und Arbeiterbewegungen haben absurderweise das Primat der "Fossilität" befördert. Luisa Neubauer geht auf verschiedene Entwicklungen ein und zeigt, wo und wie sich diese Fossilität überall in unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Politik manifestiert. Da geht es etwa um den deutschen Wiederaufbau, den Ausbau der Automobilität, das "völkerverbindende" Framen des Fliegens oder fossile Architektur.


Bei all diesen Ausführungen verbindet Luisa Neubauer geschickt eigene Erfahrungen, Gespräche mit ihrer Grossmutter, Erkenntnisse aus ihrem politischen Aktivismus und wissenschaftliche Grundlagen. So wird ihr Essay nie trocken, sondern liefert die grossen Zusammenhänge und verbindet sie mit ihrer (und damit oft auch unserer) Lebenswelt. Das wirkt erhellend, aufrüttelnd und motivierend.


So bleibt es nicht bei der Analyse des Ist-Zustandes, sondern Luisa Neubauer macht auch deutlich, welche Schritte (und Herangehensweisen) jetzt nötig und möglich sind, um das Ruder in der Klimapolitik herumzureissen. Und damit kommen wir zurück zur eingangs zitierten Hoffnung:


"Hoffnung, die den Stürmen dieser Welt standhalten soll, ist keine Hoffnung, die man hat. Es ist eine Hoffnung, die man macht." / S. 81

Fazit

Wenn ihr - gerade angesichts aktueller politischer Entwicklungen - ab und zu verzweifelt, eure eigenen Schritte in Richtung Nachhaltigkeit in Frage stellt oder sogar zurückbuchstabiert, kann ich euch die Lektüre von Luisa Neubauers "Was wäre, wenn wir mutig sind?" herzlich empfehlen. Denn das "sind" am Ende macht es eigentlich schon deutlich: Mut ist zur Abwendung oder Milderung der Klimakrise kein Konditional, sondern mindestens ein Indikativ, wenn nicht gar ein Imperativ!




Die Fakten

Luisa Neubauer

Rowohlt Verlag

144 Seiten

Erschienen am 28.01.2025

Hardcover

ISBN: 978-3-499-01496-3



PS: Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für das Printexemplar und an NetGalley Deutschland für das digitale Rezensionsexemplar. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die digitale Version und weichen von der Printversion ab.


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Luisa Neubauers Buch gibt es übrigens auch als Hörbuch bei Storytel. Und sie hat es direkt selbst eingesprochen!


So wird das Buch nochmals persönlicher und motivierender. Neben dem Inhalt und ihrer argumentativen Kraft überzeugt mich auch ihre sehr angenehme Stimme.


Ergänzend zu Luisa Neubauers Buch kann ich das schon ein paar Jahre alte, aber immer noch zeitgemässe und äusserst erhellende Buch - oder in diesem Fall Hörbuch - "Erzählende Affen" von Samira El Ouassil und Friedemann Karig empfehlen. Es ist 2023 als erweiterte Neuausgabe erschienen und wurde von Sebastian Dunkelberg eingesprochen. Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang das zehnte Kapitel, in dem die Autor*innen erklären, woran die üblichen Erzählungen (oft am Narrativ der Heldengeschichte orientiert) beim Klima scheitern. "Erzählende Affen" befasst sich nicht "nur" mit dem Klima, aber am Beispiel der Klimapolitik wird besonders deutlich, wie stark patriarchale, heteronormative und eben auch fossile Narrative unseren Alltag prägen und wie schwer dagegen anzukommen ist.

Erzählende Affen - Samira El Ouassil und Friedemann Karig, Hörbuch, 2023

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