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Der Totenkopf

Mit "Der Totenkopf" erzählt Jon Klassen eine alte Tiroler Sage nach. Klingt schaurig? Ist es auch, aber gleichzeitig auch richtig witzig und unerwartet lebendig. Versprochen!


Der Totenkopf - Jon Klassen (NordSüd 2023)

Ich liebe die Bilderbücher von Jon Klassen. Meine Kinder ebenso, auch wenn man aufgrund der oft gedeckten, grauen Farbpalette anderes vermuten könnte. Auf diesem Blog vorgestellt habe ich erst "Wir haben einen Hut" aus der Hut-Trilogie. Da es eine meiner ersten Besprechungen war (im Rahmen der #kinderbuchchallenge auf Instagram), liegt sie mir immer noch am Herzen. Schaut mal vorbei!


Und über 6 Jahre später wird es höchste Zeit für ein weiteres Klassen-Buch. Wie es sich für die spooky Zeit rund um Halloween gehört, habe ich dieses Mal mit dem frisch erschienenen "Der Totenkopf" auch eine angemessen gruselige Geschichte im Gepäck. Mit dem Adjektiv "gruselig" ist es hier aber bei weitem nicht getan!


Eine ungewöhnliche Lebensgemeinschaft

In "Der Totenkopf" erzählt Jon Klassen eine alte Tiroler Sage so nach, wie sie ihm im Kopf geblieben ist oder besser gesagt, wie sie sein Hirn abgespeichert und nacherzählt hat. Der kanadische Kinderbuchautor und Illustrator hat die Sage witzigerweise in einer Bibliothek in Alaska gelesen und sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und so erzählt er sie in seiner ganz eigenen Version in diesem Bilderbuch neu. Wie er im Nachwort anmerkt, entspricht dieses Neuerzählen, Umerzählen, Weiterspinnen und Umdeuten ja genau der Erzähltradition von Sagen und Legenden, die über Generationen weitergetragen werden und sich dabei immer auch verändern.


Otilla ist von zuhause weggelaufen und irrt durch den kalten, immer dunkler und dichter werdenden Wald. Da stösst sie auf einer Lichtung auf ein recht schönes, altes Haus. Erst öffnet niemand die Tür, doch dann spricht ein Totenkopf vom Fenster über der Tür mit ihr und lässt sie ins Haus. Der Totenkopf ist richtig freundlich und zeigt Otilla das Haus. Otilla trägt den Schädel durchs Haus, hilft ihm beim Teetrinken und pflückt ihm eine Birne.


Otilla darf bleiben und das möchte sie auch. Nach einem gemütlichen Abend vor dem Kamin gehen die beiden ins Bett. Doch der Totenkopf hatte Otilla gewarnt: Im Haus trieb jede Nacht ein Skelett sein Unwesen. Nicht irgendein Skelett, sondern das zum Totenkopf gehörende Gerippe, das seinen Kopf zurück will. Doch der Kopf will nicht wie sein Körper. Ob Otilla ihrem neuen Freund beistehen kann oder ob das Skelett sich den Totenkopf schnappt? Jedenfalls schmiedet Otilla einen Plan, um das Skelett ein für alle Mal loszuwerden.


Die Stimmung in der Anfangsszene ist düster und Otilla hat auch Angst, so alleine im Wald. Und erst recht, als sie eine Stimme hört, die ihren Namen ruft. Doch im Haus des Totenkopfs lockert sich die Stimmung - was auch illustratorisch in wärmeren Farbtönen erkennbar ist. Erstaunlicherweise zeigt auch Otilla keinerlei Scheu vor dem Totenkopf, die beiden freunden sich schnell an und helfen sich gegenseitig.


Jon Klassen erzählt die eigentlich absurde Geschichte in einer totalen Selbstverständlichkeit. Das nimmt ihr einerseits den Schrecken und verleiht ihr andererseits den von Klassen so meisterhaft beherrschten trockenen Humor. Otilla bringt auch neues Leben in die Bude und der Totenkopf ist plötzlich bereit, jahrealte Regeln einfach über Bord zu werfen.


"Was sind das für Masken?", fragte Otilla. "Die habe ich früher gesammelt", sagte der Totenkopf. "Kann man die aufsetzen?", fragte Otilla. "Die sind nur zum Anschauen", sagte der Totenkopf.

Minuten später laufen die beiden mit Masken durchs Haus! ;-) Sehr gut gefällt mir auch, wie die beiden sich gegenseitig fragen, was der*die andere möchte oder was nicht. "Nein, das möchte ich nicht." oder "Ja, das will ich." und Variationen davon werden fast ritualisiert wiederholt.



Wie man bereits am Titelbild erkennen kann, verwendet Jon Klassen auch in "Der Totenkopf" eine reduzierte Farbpalette. Trotz viel Schwarz und Grau, gelingt es ihm aber, mit Rot-/Braunschattierungen Wärme ins Buch zu zaubern. Die Illustrationen sind mit Grafit und Tinte gezeichnet und digital nachbearbeitet. Die Bilder reichen von kleinen Szenen auf einer Seite bis zu doppelseitigen Illustrationen. Der Text ist - wie wir es von Jon Klassen gewohnt sind - klar vom Bild abgetrennt, wobei der Kinderbuchautor hier auch mit der Form der weissen Texthintergründe spielt. Auch die Augen von Otilla sind in bekannter Klassen-Manier einfach weiss und schwarz gehalten.


Das zugrundeliegende Tiroler Volksmärchen "Das Totenköpflein" könnt hier zum Beispiel in Ignaz und Josef Zingerles "Kinder- und Hausmärchen aus Tirol" auch online nachlesen.


Fazit

Jon Klassen erzählt in "Der Totenkopf" eine Tiroler Sage in seiner ganz eigenen Version nach. Das ist ein bisschen gruselig, aber auch erstaunlich witzig. Der Kinderbuchautor und Illustrator legt den Fokus ganz auf die Beziehung zwischen der davongelaufenen Otilla und dem titelgebenden Totenkopf. Dadurch wird eine anfangs düstere Geschichte am Ende zur wohlig warmen Hymne auf Freundschaft und Zusammenhalt. Von mir gibt's dafür eine klare Lese- bzw. Vorleseempfehlung - nicht nur, aber besonders in der dunklen Jahreszeit!


Die Fakten

Jon Klassen (Text & Illustration)

Thomas Bodmer (Übersetzung aus dem Englischen)

NordSüd Verlag

112 Seiten

Erschienen am 21.09.2023

Hardcover

ISBN: 978-3-314-10657-6

Ab 6 Jahren




PS: Herzlichen Dank an den NordSüd Verlag für das digitale Rezensionsexemplar und die Bilder vom Buch.




Weitere (ganz leicht) gruselige Bücher bei mint & malve



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