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Die Melodie der Bienen

Sucht ihr einen unterhaltsamen, aber nicht allzu oberflächlichen Roman, der sich in den Sommerferien gut weg lesen lässt? Dann habe ich mit "Die Melodie der Bienen" von Eileen Garvin genau das richtige Buch für euch.


Die Melodie der Bienen - Eileen Garvin (Piper 2022)

In Eileen Garvins Debütroman "Die Melodie der Bienen" lernen wir in drei Handlungssträngen zunächst die Hauptprotagonist:innen kennen: Alice Holtzman arbeitet beim County von Hood River und hofft auf eine Beförderung. Nebenbei ist sie Imkerin und träumt seit ihrer Kindheit von der eigenen Obstplantage. Der Verlust ihres Ehemanns Buddy macht ihr extrem zu schaffen. Jake (Jacob) Stevenson musste nicht nur seinen Traum von der Musikhochschule an den Nagel hängen, sondern sitzt seit einem Unfall vor einem Jahr im Rollstuhl. Das College hat er beendet, aber was soll er nun machen? Sein fieser Vater wäre ihn lieber heute als morgen los. Und Harry (Harold) Stokes hat das Gefängnis zwar hinter sich gelassen, doch auch er ist ziemlich orientierungslos. Vorerst kommt er bei seinem Onkel Harry im verlotterten Wohnwagen unter. Doch dann stirbt der Onkel und Harry muss dringend einen Job suchen.


Von Einzelkämpfer:innen zur Schicksalsgemeinschaft

Die drei Handlungsstränge steuern schnell aufeinander zu und Alice nimmt die beiden jungen Männer bei sich auf. Sie wird nicht nur zur Arbeitgeberin, sondern die drei wachsen schnell zu einer Art Familie zusammen und treiben die Imkerei vorwärts. Jake hat ein besonderes Gespür für die Bienen, geht in ihrer Pflege völlig auf und mit seinem absoluten Gehör nimmt er die Melodie der Bienenstöcke sofort wahr und kann einschätzen, wie es um die Bienen steht. Leider geht es einigen Bienenstöcken plötzlich gar nicht mehr gut, ein paar Königinnen sind auch schon gestorben. Schnell wird klar, dass es einen Zusammenhang zu den Pestiziden gibt, die auf benachbarten Obstplantagen neuerdings gespritzt werden. Alice nimmt den Kampf gegen die mächtige Pestizidindustrie, konservative Obstbauern und ein korruptes County auf. Schliesslich geht es um nichts weniger als das Überleben der Bienen, der Natur und damit auch der Menschen.


Eileen Garvins Roman spielt in Oregon, wo sie auch selbst lebt, und vermittelt ihre Liebe zur Imkerei. Die Autorin hat selbst über 60'000 Bienen im Garten. Die Kapitel tragen Namen rund um die Imkerei, wie etwa "Orientierungsflug" oder "Arbeiterin" und jedem Kapitel ist ein Zitat von L. L. Langstroth mit Bienenwissen vorangestellt. Das gibt dem Buch einen schönen Rahmen und passt jeweils gut zur Handlung des betreffenden Kapitels.


Die Sprache von Garvin ist nichts Besonderes, aber sie schreibt sehr bildhaft, mit vielen Metaphern. Über deren Qualität es sich streiten (etwa wenn das Gewicht des Schweigens so schwer zwischen ihnen hängt wie nasse Wäsche auf der Leine) lässt. Die Autorin macht auch einige Nebengeleise auf, die für mich nicht hätten sein müssen, die aber für die Entwicklung der Protagonist:innen eine gewisse Berechtigung haben.


Alice ist eine sehr taffe Frau, aber sie war über Jahre sehr angepasst. Das wurde von einigen ihrer männlichen und weiblichen Kolleg:innen schamlos ausgenutzt. Diesbezüglich macht sie im Buch eine Emanzipation durch und überwindet ihren Wunsch, nicht aufzufallen und allen zu gefallen.


"Alice hatte Jahre mit dem Versuch zugebracht, andere nicht zu verärgern." (S. 405)

Im Gegensatz dazu, tauchen patriarchale Bilder doch am einen oder anderen Ort im Buch unhinterfragt auf, etwa wenn es selbstverständlich ist, dass die älteste Tochter der Familie fabelhaft kochen kann. Schön finde ich, dass in dem Roman Menschen unterschiedlicher Kulturen selbstverständlich zusammenleben. Alices Vorfahren stammen aus Deutschland. Ihr Mann Bud war mexikanischer Abstammung und ein Freund vom Umweltschutzverein hat asiatische Wurzeln.


Fazit

Die "Melodie der Bienen" von Eileen Garvin ist lesenswert, wenn man sich einen mitreissenden Roman mit sympathischen Protagonist:innen und eine Handlung wünscht, die durchaus einige schwergewichtige Themen anspricht. Zudem finde ich, der Autorin gelingt es gut, einen Protagonisten im Rollstuhl zu porträtieren, ohne ihn auf seine Behinderung zu reduzieren. Für den Sommerurlaub kann ich euch diesen Schmöker herzlich empfehlen!


Wer gerne etwas über Bienen liest, aber mit höherem literarischem Anspruch, der/dem empfehle ich "Die Geschichte der Bienen" von Maja Lunde oder "Winterbienen" von Norbert Scheuer. Wer noch mehr im Setting von Obstplantagen lesen möchte, wird bei "Alte Sorten" von Ewald Arenz fündig.


PS: Die Ironie der Geschichte? Während ich das schreibe, schmerzt mein Fuss wegen eines Bienenstichs. Der erste seit bestimmt zwanzig Jahren. Wünscht mir Glück, dass ich morgen noch in einen Schuh passe!


Die Fakten

Eileen Garvin

Anja Mehrmann (Übersetzung aus dem Englischen)

Piper Verlag

464 Seiten

Erschienen am 26.05.2022

Hardcover mit Schutzumschlag

ISBN: 978-3-492-07075-1



Herzlichen Dank an den Piper Verlag für das Rezensionsexemplar.


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