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Susanna - von Basel nach New York

Ich bin Alex-Capus-Komplettistin. Klar, musste ich da auch sein neustes Werk "Susanna" lesen. Ob es meine Erwartungen erfüllt hat? Lest selbst.


Susanna - Alex Capus (Hanser 2022)
Foto: Eliane Fischer, aufgenommen an der Schifflände in Basel, 2022.

Mit "Léon und Louise" gelang Alex Capus der Durchbruch, zumindest habe ich das damals so wahrgenommen. Dank dem Tipp einer Freundin hatte ich aber schon alles gelesen, was er davor so geschrieben hatte: Geschichten, Portraits und Romane wie "Eine Frage der Zeit"* und "Reisen im Licht der Sterne"*. Und natürlich lese ich alles, was seither erscheint, wie seine "Königskinder", die ich auch auf dem Blog besprochen habe.


Von Basel nach New York

Marias Weg als Ehefrau und Mutter an der Seite von Lukas Faesch war eigentlich vorgezeichnet. Doch das Aufeinandertreffen mit dem deutschen Arzt Karl Valentiny, der mit Lukas Faesch in der französischen Fremdenlegion gedient hatte und ein paar Monate im Haushalt der Faeschs in Basel lebt, lässt in ihr den Entschluss reifen, ihren Mann zu verlassen. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, ihr Leben an der Seite eines langweiligen Amtsträgers zu verbringen:


"Bald würde er wieder sein wie sie [die Leute, a.d.R.] - ein lebendig mumifizierter Bürger seiner Stadt." (S. 59)

Und das tut sie dann auch. In der Mitte des 19. Jahrhunderts ein besonders mutiger Schritt! Mit an Bord auf dem Schiff von Basel nach New York ist ihre Tochter Susanna. Die beiden Söhne hingegen lässt sie bei ihrem Vater zurück. Karl Valentiny lebt inzwischen in New York und nimmt Mutter und Tochter auf. Zusammen bilden sie eine neue Familie, dank Valentinys Hausarztpraxis ohne finanzielle Nöte.


Susanna entdeckt durch Zufall ihr Talent zur Malerei, fertigt schon als Jugendliche Porträts an und verdient sich so ihren Lebensunterhalt. Susanna ist nicht sehr ambitioniert, was ihre Lebensplanung oder Träume angeht, aber eins ist klar: Sie will keiner Norm entsprechen.


"Das Problem war, dass sie keinen Lebensweg einschlagen wollte; keinen von den Trampelpfaden, die es ja nur deshalb gab, weil sie von so vielen Menschen schon begangen worden waren." (S. 127)

Wie Susanna zu ihrem Sohn Christie kommt und wie es sie beide zu Sitting Bull, dem bekannten Chief der Sioux, verschlägt, verrate ich an dieser Stelle nicht. Aber ich muss sagen, der Klappentext lässt da mehr erwarten und vor allem auch früher im Roman.


Fiktion und wahre Geschichte

Alex Capus erzählt in seiner gewohnt melodiösen und sehr vielseitigen Sprache, schweift gerne einmal ab (manchmal auch zu lange, wie beim langfädigen Treibsandvergleich) und führt kleine Anekdoten der Geschichte und erstaunliche historische Zusammenhänge aus. Immer wieder blitzt auch sein Humor auf. Mit Maria und Susanna hat er sich einmal mehr real existierender Persönlichkeiten und ihrer Geschichte angenommen und stellt sie in den Kontext des Weltgeschehens - in diesem Fall die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, angefeuert durch die Erfindung der Dampfmaschine. Das mag ich - wie fleissige Leser*innen wissen - in der Regel sehr und ist mancherorts auch gelungen.


Der Klappentext verspricht eine Emanzipationsgeschichte - für mich unklar blieb jedoch, ob damit Maria oder die titelgebende Susanna gemeint ist oder beide. Und abgesehen von Marias Aufbruch nach Amerika und Susannas wirtschaftlicher Selbständigkeit durch die Malerei sowie ihre Rolle als alleinerziehende Mutter, bleibt mir diese Emanzipation zu schwach ausgeleuchtet (obwohl das Licht in der Geschichte durchaus eine Rolle spielt ;-)). Auf Wikipedia wird Susanna, die sich später Caroline Weldon nannte, als "schweizerisch-amerikanische Bürgerrechtlerin, Aktivistin in der National Indian Defense Association (NIDA) und Privatsekreträrin von Sitting Bull" bezeichnet. Da hätte ich mir doch etwas mehr Plot in diese Richtung gewünscht.


Alex Capus ist bei seiner Recherche sicherlich auch tief in die Archive und andere Quellen eingetaucht. Auch wenn er im Interview mit dem Verlag erklärt, dass wenig Schriftliches erhalten geblieben oder überhaupt je aufgezeichnet worden sei. Leider bleibt der Roman "Susanna" für mich eher ein bruchstückhafter Einblick in ihr Leben (und das ihrer Mutter Maria sowie verschiedener Bezugspersonen) als eine stringente Erzählung einer Emanzipationsgeschichte und einer Aktivistin für die Anliegen der nordamerikanischen Ersteinwohner*innen.


Reproduktion rassistischer Sprache

Kritisieren möchte ich zudem die Verwendung des I-Wortes. Es wird zwar auch im Roman explizit kritisiert und darauf hingedeutet, dass man die Ersteinwohner*innen Amerikas lieber indigene Personen nennen sollte oder eben beim Namen ihres jeweiligen Stammes, als eine stereotype und rassistische Fremdbezeichnung zu verwenden. Leider geschieht dann aber genau das und zwar nicht nur, weil es im historischen Kontext vielleicht tatsächlich so war, sondern auch an unnötigen Stellen, wo die Erzählerstimme durchaus auf andere Bezeichnungen hätte zurückgreifen können.



Fazit

Alex Capus hat mich mit "Susanna" sprachlich einmal mehr überzeugt und scheint auch auf spannenden Stoff gestossen zu sein, den er leider diesmal etwas weniger geschickt mit fiktionalen Elementen ergänzt. So liest sich der Roman zwar durchaus gut, hat aber seine Längen und bleibt enttäuschend unrund. Ich empfehle euch nach wie vor lieber seine älteren Werke (alles vor "Das Leben ist gut").



Die Fakten

Alex Capus

Hanser Verlag

288 Seiten

Erschienen am 25.07.2022

Hardcover

ISBN: 978-3-446-27396-2



PS: Herzlichen Dank an den Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar.



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