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Wem gehört der Schnee? Eine Ringparabel

Schnee in Jerusalem! Eine absolute Seltenheit. Doch wer hat ihn gemacht? Wessen Gott war das? Antonie Schneider und Pei-Yu Chang liefern in ihrem Bilderbuch "Wem gehört der Schnee?" eine parabelhaft verpackte Antwort.


Wem gehört der Schnee? Eine Ringparabel - Antonie Schneider, Pei-Yu Chang (NordSüd 2019)

In Jerusalem schneit es! Die Kirchtürme sind weiss gepudert, der Felsendom liegt unter einer weissen Schneeschicht und auch die Klagemauer ist schneebedeckt. Die Kamele wundern sich, die Kinder freuts! Das trubelige Leben in der multikulturellen Stadt geht weiter, nur eben mit Schnee unter den Füssen.


Samir, Mira und Rafi spielen im Schnee, geraten dann aber in Streit darüber, wem der Schnee gehört:


"Woher kommt der Schnee?" "Wer hat den Schnee gemacht?" "Mein Gott war das!" "Mein Gott, der ist nämlich der echte. Mir gehört der Schnee!!"

So geht es hin und her zwischen den dreien. Dann schauen sie den Schnee in ihren Händen genau an. Von blossem Auge, ist er nicht zu unterscheiden. Schnee halt. Weisser, kalter Schnee. Die drei machen sich auf, herauszufinden, woher der Schnee kommt und wem er gehört.


Alle nehmen sie eine Hand, eine Mütze oder einen Rucksack voll Schnee mit. Samir wendet sich an den Imam, Mira versucht es beim Priester und Rafi traut dem Rabbi die richtige Antwort zu. Im jeweiligen Gotteshaus angekommen, haben die drei aber nichts mehr vorzuweisen, der Schnee ist bereits geschmolzen. Die drei Geistlichen erklären den Kindern, dass der Schnee ein Geheimnis hütet, das sich weder beweisen noch festhalten lässt. Und tatsächlich, als sich die drei wieder treffen, ist der Schnee draussen weg.


So erkennen sie, dass sie das geheimnisvolle Naturphänomen hätten geniessen sollen, sich an der Seltenheit erfreuen, statt darüber zu streiten. Aber wer weiss, vielleicht schneit es ja bald wieder einmal in Jerusalem?



Die Ringparabel neu erzählt

Der Untertitel des Buches verrät es uns schon: Mit der Geschichte um das Wunder vom Schnee erzählt die Autorin Antonie Schneider eine Ringparabel, wie sie von Lessing in "Nathan der Weise" begründet wurde. Auch da geht es im übertragenen Sinne (auf der Sachebene) um die wahre oder die beste der drei Weltreligionen - Judentum, Christentum und Islam. Nur dass es bei Lessing auf der Bildebene nicht um Schnee, sondern um drei Ringe geht, wovon nur einer echt ist und Glück bringen soll . Und während wir bei "Nathan der Weise" drei Brüder haben, die die unterschiedlichen Religionen verkörpern, sind es hier die Freund*innen Samir (Islam), Mira (Christentum) und Rafi (Judentum).


Das verbindende Element ist in Lessings Drama wie auch im Bilderbuch "Wem gehört der Schnee?" die Toleranz. Und damit auch die Botschaft, dass alle Religionen gleich (viel wert) sind. Sehr gut erklärt wird die Ringparabel in diesem Video. Antonie Schneider erzählt die Geschichte in einfachen, knappen Sätzen, so dass Kinder ab 5 Jahren gut folgen können. Schade finde ich, dass im Text die männlichen Akteure stark dominieren. Neben den Geistlichen, den Gläubigen, Soldaten, Pilgern und Touristen - auf den Bildern sind durchaus einige weiblich zu lesende Personen - kommen gerade einmal die Nonnen auch sprachlich vor.


Facettenreich illustriert

Pei-Yu Chang hat das Bilderbuch in ihrem ganz eigenen Stil illustriert. Die Bilder füllen jeweils eine ganze Doppelseite und sind neben Weiss in Blau- und Ockertönen gehalten. Immer wieder tauchen auch Collageelemente auf. Wer genau hinschaut, entdeckt zahlreiche Details, das auffälligste wohl der Wiedehopf, der mehrmals auftaucht und seit 2008 der Nationalvogel Israels ist und ansonsten eine vielfältige, wenn auch nicht eindeutige Symbolik hat (wie mir Wikipedia verraten hat). Durch die Abbildung von Menschen, Gebäuden und Symbolen, die den drei Weltreligionen zugeordnet werden können, transportiert Pei-Yu Chang die Vielfalt der Religionen in der israelischen Hauptstadt.


Fazit

Antonie Schneider und Pei-Yu Chang gelingt es in ihrem Bilderbuch "Wem gehört der Schnee?" die wichtige Botschaft der Toleranz und Gleichwertigkeit der verschiedenen Religionen mit einer gut nachvollziehbaren Geschichte zu erzählen. Der Schnee als seltenes Ereignis in Jerusalem und flüchtiger Stoff wird zum idealen Symbol für die leider allzu oft ebenso fragile Verständigung über die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften hinweg.


Die Fakten

Antonie Schneider (Text)

Pei-Yu Chang (Illustration)

NordSüd Verlag

32 Seiten

Erschienen am 20.09.2019

Hardcover

ISBN: 978-3-314-10420-6

Ab 5 Jahren





PS: Herzlichen Dank an den NordSüd Verlag für das Rezensionsexemplar.


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Von der Illustratorin mit Wurzeln in Taiwan habe ich bereits das Bilderbuch "Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin" besprochen.


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