Ching Chang Stop
Dian Gohring hat aus eigener Betroffenheit ein Buch über Rassismus geschrieben und illustriert. "Ching Chang Stop" ist ein Kinder- bzw. Jugendbuch, das über Alltagsrassismus aufklärt, ihn anprangert und Betroffenen Mut macht, sich zu wehren.
Dian Gohring ist in Hildesheim geboren und in Bayern aufgewachsen. Auf die Frage, woher sie komme, antwortet sie also selbstverständlich mit "Bayern". Nur leider ist es bis heute nicht selbstverständlich, dass der oder die Fragende damit zufrieden ist. Viel zu oft kommt da die Nachfrage, woher sie denn ursprünglich komme.
"Eigentlich hätte ich lieber ein Kochbuch geschrieben, aber Rassismus ist leider immer noch allgegenwärtig."
Das sagt Dian Gohring im Klappentext und begründet damit ihre Motivation, "Ching Chang Stop" zu schreiben und illustrieren. Sie hat dies nicht auf einer theoretischen, sondern auf der ganz persönlichen Ebene, auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen, gemacht. Das Buch entstand im Rahmen ihrer Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign an der Hochschule Trier und ist 2022 bei Carl-Auer Kids erschienen.
Rassistische Erfahrungen durchziehen das ganze Leben
Drei Kapitel orientieren sich an den Lebensphasen - Kindheit, Jugend, Erwachsensein - und ein zusätzliches Kapitel gibt Tipps im Umgang mit Alltagsrassismus. Die Erfahrungen spiegeln teils Situationen, von denen alle BIPoC aufgrund ihrer Erscheinung betroffen sein können - wie die erwähnte "Woher-kommst-du?"-Frage. Teils geht es speziell um antiasiatischen Rassismus - etwa wenn die Autorin mit dem Virus in Verbindung gebracht oder für die Frau ihres Vaters gehalten wird.
Im Teil über ihre Kindheit macht Dian Gohring deutlich, wie früh und alltäglich sie bereits als Kind Rassismus ausgesetzt war und wie stark sie dies verunsichert, ausgegrenzt und belastet hat. Aus den Worten und Bildern spricht viel Wut und ein starkes Gefühl des Verlorenseins, der Ohnmacht. In der Jugend kommen rassistische Erfahrungen in Kombination mit Sexismus hinzu. Im Erwachsenenalter spricht sie das Herunterspielen von rassistischem Handeln oder Sprechen an. Und sie beginnt, sich zu wehren, die Menschen mit ihren rassistischen Äusserungen zu konfrontieren und schafft so einen fliessenden Übergang zum empowernden Kapitel mit Tipps im Umgang mit Alltagsrassismus.
Die Illustrationen aus Buntstiften und Aquarell transportieren die Emotionen von Dian Gohring sehr stark - sei dies über die Mimik der abgebildeten Personen, vielsagende Gesten oder die wild brodelnden Gedanken. Entsprechend dominieren in den ersten Kapiteln kalte Blautöne. Das Für-sich-Einstehen und die Hoffnung auf ein toleranteres Miteinander in den folgenden Kapiteln wird illustratorisch schön aufgegriffen durch wärmere Farben und das Symbol von Sternen, die im Hintergrund bzw. am Horizont leuchten.
Die Altersempfehlung des Verlags liegt bei 6 Jahren. Das halte ich in der Regel für zu früh. Gerade viele Situationen in den Kapiteln Jugend und Erwachsensein werden für Kinder in dem Alter noch kaum verständlich sein - sind sie doch zu weit von ihrer Lebenswelt entfernt. Das Buch als Gesamtwerk würde ich also eher älteren Kindern und Jugendlichen empfehlen - egal, ob nun weiss oder BIPoC.
Der Weg zum Buch
Wer sich noch mehr für die Hintergründe und die Entstehung des Buches interessiert, kann sich die Präsentation der Bachelerarbeit als Video anschauen. Sehr sehenswert!
Fazit
Dian Gohring gibt mit "Ching Chang Stop" einen eindrücklichen, emotionalen Einblick in ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Es mag sich um individuelle Erfahrungen handeln, sie sind aber keineswegs Einzelfälle, sondern im strukturellen Rassismus verankert. Das Buch ist deshalb ein wichtiges Zeugnis von Diskriminierungserfahrungen, die uns alle aufhorchen lassen sollten!
Die Fakten
Dian Gohring (Text + Illustration)
Carl-Auer Kids
76 Seiten
Erschienen am 04.03.2022
Hardcover
ISBN: 978-3-96843-026-3
Ab 10 Jahren
PS: Herzlichen Dank an den Carl-Auer Verlag für das Rezensionsexemplar.
Antirassistische Bücher für Kinder und Erwachsene bei mint & malve
In einer losen Serie stelle ich euch antirassistische Kinder- und Jugendbücher und begleitende Bücher zum Thema für Erwachsene vor.
Rassismus geht uns alle an - Josephine Apraku, Jule Bönkost, Meikey To (Carlsen 2022)
Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen - Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar (Beltz & Gelberg 2021)
Harriet Tubman. Fluchthelferin bei der Underground Railroad. Aus der Sklaverei in die Freiheit - Ann Petry (Nagel & Kimche 2022)
Odo und der Beginn einer grossen Reise - Dayan Kodua, Robby Krüger (Gratitude Verlag 2021)
Sulwe - Lupita Nyong'o, Vashti Harrison (Mentor Verlag 2021)
Wie erkläre ich Kindern Rassismus? - Josephine Apraku und Le Hong (familiar faces 2021)
Die Farbe der Haut mit allen Sinnen - Joceline Altevogt, Justine Canga, Thomas Delaroziere (Nalingi 2021)
Harriet Tubman - Little People, Big Dreams - María Isabel Sánchez Vegara, Pili Aguado (Insel Verlag 2021)
Das Buch vom Antirassismus. 20 Lektionen, um Rassismus zu verstehen und zu bekämpfen - Tiffany Jewell, Aurélia Durand (Zuckersüss Verlag 2020)
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