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Ganz oben fliegt Lili - Autorin und Illustratorin im Interview

Eine Schwebfliege als Romanheldin? Das gibt es im Kinderbuch "Ganz oben fliegt Lili" von Julia Willmann und Alexandra Junge. Ich habe mit den beiden über ihr gemeinsames Werk gesprochen.

Ganz oben fliegt Lili - Julia Willmann, Alexandra Junge (Peter Hammer Verlag 2023)

Lili, eine kleine Schwebfliege, schlüpft in einem Vergissmeinnicht-Topf aus ihrer Puppe. Als erstes sieht sie nicht etwa das Vergissmeinnicht oder ihre nächste Umgebung, sondern die Alpen. Vor ihrem inneren Auge sieht Lili die Berge mit den schneebedeckten Gipfeln ganz deutlich. Und sie spürt auch instinktiv, dass sie dort hin muss, sofort!


Doch auf dem Weg durch die grosse weite Welt gibt es für eine kleine Schwebfliege so manche Herausforderung zu überwinden - von der ganz und gar unlöchrigen Fensterscheibe, über einen hochnäsigen Steinkauz bis zu schwindelerregenden Zugfahrten und dem Verlust des L's, womit aus Lili "ii" wird.


"Wo wir herkommen, wo wir hingehen - das weiss selbst eine Geistesgrösse wie ich nicht." ~ Steinkauz Ludwig (S. 14)

Illustration: Alexandra Junge

Zum Glück gibt es aber auch so gute Seelen wie den Käfer Knorrte, der Lili kurz nach ihrem Flug - oder eher Sturz - in die Freiheit mit leckerer "Torrte" verköstigt, ihr Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt sowie ein Reisetagebuch, um ihre Erlebnisse auf dem Flug gen Süden für ihn festzuhalten.


"Die wichtigen Dinge sagt dir niemand. Die musst du selber herausfinden." (S. 28)

Und so macht sich "ii" auf, die ominösen Alpen und dabei sich selbst und viele tierische Freund:innen zu finden.


Mit ihrem Kinderbuch "Ganz oben fliegt Lili" erzählt Autorin und Dramaturgin Julia Willmann die Geschichte von Lilis Reise in Richtung Alpen voller Spannung, Empathie und Wortwitz. Da gibt es so schöne Wortkreationen wie "fliegenstirnvoran" und besondere Bilder, wie wenn das Fernweh an Lilis Fühlern zupft. Und ganz nebenbei erfahren die Kinder (und auch Erwachsene) noch so einiges über die Schwebfliege, diese wichtige Bestäuberin, die in ihrem Leben viele tausend Kilometer zurücklegt.


Das filmische Moment von Julia Willmanns Erzählung setzt sich auch in den Illustrationen von Alexandra Junge fort, in denen die besondere Perspektive der Schwebfliege ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Den Insekten - allen voran Lili - und anderen Tieren hat die Illustratorin gekonnt menschliche Züge eingehaucht, ohne zu stark von den biologischen Realitäten abzuweichen.


Illustrationen: Alexandra Junge


Fazit

"Ganz oben fliegt Lili" von Julia Willmann und Alexandra Junge erzählt von der ersten bis zur letzten Seite spannend, sprachverspielt und witzig von der abenteuerlichen Reise einer Schwebfliege. Ein Kinderbuch mit aussergewöhnlicher Protagonistin, das Spass macht und gleichzeitig das Augenmerk ganz ohne moralischen Zeigefinger auf kleine, aber umso wichtigere Nützlinge für unser Ökosystem richtet. Von mir gibt es eine ganz herzliche Leseempfehlung für alle Kinder ab 8 Jahren.



Julia Willmann und Alexandra Junge im Interview


Foto: Julia Willmann, Copyright: Daniel Attia.

Liebe Julia, was war bei «Ganz oben fliegt Lili» zuerst da? Die Schwebfliege? Die Alpen oder vielleicht der Vergissmeinnichttopf?

Ich hatte jahrelang den Wunsch, eine Geschichte über die Schönheit der Erde zu schreiben. Bloß wie? Mein Eindruck war, dass es eine Vielzahl dystopischer Bücher für große und kleine Leser:innen gibt, die angesichts des Klimawandels warnend und belehrend daherkommen. Ich wollte einen ganz anderen Ton anschlagen, etwas erzählen, das öffnet und Mut macht, Dinge zu verändern - nicht aus Angst, sondern aus Liebe. Dann ist mir Lili begegnet.


Wie kamst du auf die Idee, eine Schwebfliege ins Zentrum eines Kinderromans zu stellen?

Als ich herausfand, welche Fähigkeiten diese winzigen Wesen haben und welchen immensen Einfluss auf die Gesundheit unserer Natur, war mir sofort klar: Das muss erzählt werden! Darüber hinaus hat mich der Perspektivwechsel überzeugt: Die Welt gesehen aus den Augen einer Fliege. Lili staunt über die Dinge wie nur große Philosoph:innen und kleine Fliegen staunen können. Sie erkennt das ganz Große im ganz Kleinen und umgekehrt.


Lili – oder eben «ii» – hat einen Sprachfehler. Sie hat beim Zusammenstoss mit einer Fensterscheibe das «L» verloren. Welche Funktion hat der Sprachfehler in der Geschichte oder was möchtest du den Kindern damit mitgeben?

Bei aller Recherche zu den Besonderheiten von Schwebfliegen, die in dieses Buch eingeflossen ist: Lilis fehlendes L ist das anarchische Moment der Geschichte. Es ist einfach zum Spaßhaben und zum Wohlfühlen da. Denn es ist kein Manko. Es ist eine Besonderheit. Bei Lesungen fällt mir immer wieder auf, wie sehr zum Beispiel Kinder mit LRS Lilis »Mundart« lieben: Lili ist anders – und das ist wunderbar! "Ganz oben fliegt Lili" ist nicht nur ein biodiverses, es ist auch ein diverses Buch geworden. Das freut mich riesig.


Das Buch enthält eine wunderbare Karte mit Lilis Reiseroute. Das Buch endet in den Alpen. Dürfen wir uns auf einen zweiten Teil von Lilis Reise bis nach Nordafrika freuen?

Lilis weitere Reise darf gern in den Köpfen ihrer Leser:innen fortgesponnen werden! Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit Schwebfliegen, mit Biodiversität, mit Natur- und Artenschutz beschäftigt. Jetzt möchte ich gern Türen zu anderen Themen und Welten öffnen, die mich bewegen und von denen ich noch nicht erzählt habe. Ich bin selbst gespannt, was da kommen wird.


Foto: Alexandra Junge

Liebe Alexandra, wie kam es dazu, dass du die wunderbaren Illustrationen für «Ganz oben fliegt Lili» gezeichnet hast?

Es freut mich, dass sie dir gefallen! Ich wurde vom Peter Hammer Verlag angefragt. Kurz zuvor hatte ich Monika Bilstein, der damaligen Verlagsleiterin, ein eigenes Bilderbuchprojekt vorgestellt, in dem ziemlich verschrobene Insekten die Hauptrolle spielen. Aus dem ­Projekt wurde zwar erst mal noch nichts, aber die Illustrationen haben ihr sehr gefallen. Und da bei "Ganz oben fliegt Lili" ebenfalls Insekten im Fokus stehen, konnte sie sich meine Bilder sehr gut für das Buch vorstellen. Da auch Julia mein Stil gefiel, ging’s dann bald los.


Und wie lief die Zusammenarbeit zwischen dir und Julia ab? Habt ihr Szenen gemeinsam ausgewählt? Gab es eine Art Ping-Pong?

Julia und ich haben uns von Anfang an ausgetauscht, was eigentlich eher ungewöhnlich ist. Meistens arbeiten Autor:in und Illustrator:in nicht zusammen, weil die Autor:in verständlicherweise oft schon sehr konkrete eigene Bilder zu ihrer Geschichte im Kopf hat. Diese Vorstellungen und Erwartungen können die Illustrator:in dann natürlich stark einschränken. Julia und ich haben uns aber auf Anhieb sehr gut verstanden, die Chemie hat gestimmt, und ich war dankbar für ihre Anregungen und den konzeptionellen Input. Da sie auch in der Filmbranche arbeitet, hatte sie sehr gute Einfälle, wie man Bilder zuspitzen und noch besser auf den Punkt bringen kann.


Illustration: Alexandra Junge

Die Textstellen habe ich ausgesucht, skizziert und die Ergebnisse dann mit Julia besprochen. Insgesamt war die Zusammenarbeit sehr eng und rege und hat toll funktioniert. Zusätzlich wurden meine Entwürfe von zwei Schwebfliegen- und Insektenexperten aus Julias Netzwerk gegengecheckt, damit die Zeichnungen auch biologisch stimmig sind.


Was sind die besonderen Herausforderungen, wenn man Insekten illustriert?

Insekten sind den Menschen ferner und fremder als zum Beispiel Katzen oder Hunde. Nicht umsonst kommen so viele Bären in Bilderbüchern vor – man kann sich einfach sehr gut mit ihnen identifizieren. Insekten können einen ja auch ekeln oder Angst einflößen (wenn ich an mein eigenes Verhältnis zu Spinnen denke...). Lili und die anderen Charaktere sollten etwas Nettes und sehr Menschliches bekommen, gleichzeitig aber individuell und einzigartig wirken. Das war schon eine besondere Herausforderung, hat aber auch besonders viel Spaß gemacht. So gibt es den gutmütigen Senior-Käfer Knorrte, den kleinen, sich selbst aber sehr groß denkenden Kauz Ludwig, zwei etwas strapazierte Kakerlaken...


Skizze von Lili. Copyright: Alexandra Junge

Und kannst du uns etwas zu deiner Technik verraten? Wie gehst du vor?

Erst mal ganz analog, die Skizzenphase mit Bleistift, die farbige Umsetzung mit Acrylfarbe. Das ist meine Lieblingstechnik, weil sich so sehr schön Strukturen und Texturen erzeugen lassen. Anschließend habe ich die fertigen Bilder teilweise mit dem Rechner überarbeitet, Hintergründe entfernt oder weitere Strukturen hinzugefügt, um Lilli und die Insektenschar auch optisch unverkennbar zu machen.


Ganz herzlichen Dank euch beiden für das Interview und die spannenden Einblicke. Wir freuen uns, wenn eure Zusammenarbeit irgendwann einmal eine Fortsetzung findet und wir wieder ein Kinderbuch von euch geniessen dürfen!



Die Fakten

Julia Willmann (Text)

Alexandra Junge (Illustration)

Peter Hammer Verlag

144 Seiten

Erschienen am 06.02.2023

Hardcover

ISBN: 978-3-7795-0700-0

Ab 8 Jahren






Blogtour "Ganz oben fliegt Lili"

Dieser Beitrag ist der Auftakt zur Blogtour "Ganz oben fliegt Lili" vom 1. bis 6. Mai. Auf folgenden Blogs / Instagram-Accounts macht Lili die kommenden Tage Halt:




In der Grafik und meinem Instagram-Highlight zu "Lili" findet ihr alle Details und die Links zu den anderen Accounts.



PS: Herzlichen Dank an Julia Willmann und den Peter Hammer Verlag für das Rezensionsexemplar. Herzlichen Dank auch Alexandra Junge für die zur Verfügung gestellten Illustrationen.



Ihr seid Insektenfans? Dann habe ich hier ein paar weitere Buchtipps für Klein und Gross


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