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Geordnete Verhältnisse

Lana Lux führt uns mit ihrem neuen Roman "Geordnete Verhältnisse" in die Abgründe einer toxischen Beziehung und das bis zum bitteren Ende. Dem Strudel der Beziehung zwischen Faina und Philipp können wir uns nicht entziehen. Und so auch nicht dem Sog dieses Buchs.

Geordnete Verhältnisse - Lana Lux (Hanser Berlin 2024)

Die Handlung beginnt, als Philipp 10 Jahre alt wird. Er hat es nicht einfach, seine Mutter ist alkoholabhängig und er wächst teilweise bei seiner Tante Martha auf. Mit seinen roten Haaren, seinen Wutanfällen und Aggressionen sowie seiner lange in die Kindheit andauernden Inkontinenz ist er ein Aussenseiter. Er wünscht sich nichts mehr als einen besten Freund.


"Alle lachten über mich, und ich tat so, als würde mich das nicht jucken und als würde ich sie nicht alle töten wollen." / S. 18

Und dieser bester Freund taucht in Form von Faina auf, die mit ihren jüdischen Eltern aus der Ukraine geflohen ist und nun in Philipps Klasse kommt. Zufällig hat sie genauso rote Haare wie Philipp. Als fremdsprachiges Kind ist sie so zuerst einmal genauso eine Aussenseiterin und froh um Philipps Gesellschaft. Schnell werden sie zum untrennbaren Duo. Allerdings zeichnet sich schon in dieser Zeit ab, dass die Beziehung eine toxische ist. Denn Philipp möchte Faina schon da exklusiv für sich, kontrolliert und belehrt sie. Weshalb sie das genau über sich ergehen lässt, wird nicht ganz klar.


In ihrer Jugend versuchen sie es dann auch einmal mit einer romantischen Beziehung, doch Philipp ist asexuell, ekelt sich förmlich vor körperlicher Nähe und dem Austausch von Körperflüssigkeiten. Entsprechend schnell wechseln sie zurück zur bewährten, wenn auch sehr innigen und sehr exklusiven Freundschaft.


Der unausweichliche Strudel einer toxischen Beziehung

In ihrer Studienzeit leben die beiden gemeinsam in einer WG und Philipp könnte glücklicher nicht sein. Philipp hat ausreichend Geld, wobei nicht ganz klar ist, ob es geerbt ist oder selberverdient mit Trading. Doch Philipp eines Tages tut Philipp in Fainas Abwesenheit etwas Schlimmes, wobei er es in seiner verzerrten Wahrnehmung für eine gute Tat hält:


"Es war im Sommer 2009. Zwei Jahre nach dem Abi. Ich war plötzlich reich und Faina war endlich Single und das Leben schien gut zu sein, bis sie alles zerstörte." / S. 27

Faina zieht aus, zuerst nach Berlin und später mit Hilfe eines Stipendiums ein Jahr nach Israel. Dort lebt sie ihre Bisexualität richtig aus. Allerdings mit der Folge, dass sie schwanger wird, das Studium abbricht und mit einem Haufen Schulden nach Deutschland und schliesslich zu Philipp zurückkehrt. Denn der sieht seine Chance gekommen, Faina nun für immer an sich zu binden. Indem Faina finanziell von ihm abhängig ist, er die Vaterschaft für das ungeborene Kind anerkennt etc. spinnt er die Fäden um Faina immer enger.


Lana Lux erzählt uns die Geschichte sehr geschickt in wechselnden Ich-Perspektiven und in wechselnden Episoden, spult mal vor und mal zurück, steuert dabei aber unumkehrbar auf den grossen Knall am Ende zu. Dass Philipp ein richtig fieser Typ ist und Faina schon in ihrer Kindheit und Jugend manipuliert, spüren wir schnell. Doch Lana Lux stellt es sehr geschickt an, dass wir ihn nicht nur hassen, sondern auch ein kleines bisschen Mitleid haben. Und auch Faina ist trotz ihres schweren Rucksacks einer Flucht, eines herrschsüchtigen Vaters und einer kontrollierenden Mutter kein typisches Opfer. In der Schule glänzte sie mit Bestnoten und von ihren Eltern emanzipierte sie sich so gut es ging und versuchte, ein finanziell unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.


Weshalb Faina Philipp überhaupt so nett findet und sich in ihrer Not nicht an andere Freund*innen wendet, die sich durchaus hat, war für mich nicht ganz schlüssig. Anderseits konnte ich sehr gut nachvollziehen, dass sie als sie erstmal in dieser Abhängigkeit zu Philipp stand, sich eben auch nicht mehr so einfach daraus lösen konnte und als Involvierte seine Manipulation auch lange nicht durchschaute oder immer wieder verdrängte.


"Aber auf der anderen Seite hasse ich alles. Ich hasse sein Geld und auch seine Fürsorge, seinen Putzwahn, sein Kochen und Füttern. Seine Abläufe. Ich hasse das alles. Und am meisten hasse ich mich selbst, denn ich bin wie eine fette Hauskatze, verwöhnt und vollkommen abhängig." / S. 190

Etwas zu viel des Guten könnten für einige Leser*innen die weiteren Themen sein, die eingeflochten werden, etwa Fainas bipolare Störung oder ihren Job als Sexarbeiterin und Philipps rechtsradikalen Tendenzen und sein Hang zu Verschwörungstheorien. Das passt zwar durchaus zusammen, drängt aber gerade Philipps Figur etwas zu klar in eine Ecke und wirkt daher etwas sehr konstruiert.


Die Sprache ist relativ einfach, was ich aber für die beiden Erzähler*innen auch authentisch fand, erleben wir ja quasi direkt ihre Gedankengänge mit. Schade ist, dass es auch zwei, drei inhaltliche Fehler gibt, die spätestens im Lektorat hätten auffallen müssen.


Fazit

Lana Lux' Roman "Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux ist insgesamt eine sehr fein gestrickte Geschichte einer toxischen Beziehung - und das trotz vorübergehender Zimmerpflanzenidylle. Vielleicht gerade deswegen. Wie Faina wähnen wir uns immer wieder in falscher Sicherheit, wollen an das Gute im Menschen glauben. Doch in Philipp werden wir das nicht finden.


"Ich suchte Drama. Das hat Philipp mir häufig vorgeworfen, das mit dem Drama. Nur dass die Beziehung zu ihm das größte Drama meines Lebens ist." / S. 237

Für mehr müsst ihr diesen soghaften Roman selber lesen. Trotz kleinerer Kritikpunkte kann ich euch die Lektüre sehr empfehlen. Die Geschichte nimmt auf jeden Fall sehr mit und hallt lange nach - nicht zuletzt, weil der Roman immer wieder von der Realität überholt wird.



Die Fakten

Lana Lux

Hanser Berlin

288 Seiten

Erschienen am 18.02.2024

Hardcover

ISBN: 978-3-446-27955-1




PS: Herzlichen Dank an Hanser Berlin und Netgalley für das digitale Rezensionsexemplar. Die Seitenzahlen beruhen auf dem E-Book und können von der Printversion abweichen.



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